Dem Schlachten ein Ende setzen. Oder: Musst du lesen.

Worum geht’s?

Marxismus und Tierbefreiung

Vor kurzem hat die Tierrechtsgruppe Zürich eine Ausgabe der Zeitung antidotincl. herausgegeben. Der Schwerpunkt des 40-Seitigen Heftes ist, wie der Untertitel bereits verrät, die Verbindung marxistischer Theorie und der Idee des Antispeziesismus, zweier Bereiche die bisher eher selten miteinander in Beziehung gesetzt wurden. In zahlreichen Artikeln werden verschiedene Aspekte der Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und (Tier-)Ausbeutung beleuchtet. Dabei geht es um theoretische Überlegungen, wie in den Artikeln „Marxismus und Tierbefreiung“ von Christian Stache und „Speziesismus und historischer Materialismus“ von Marco Maurizi oder um die historischen Dimension von Antispeziesismus in der Linken, wie in „Für die Befreiung von Mensch und Tier: Ein Kampf mit linker Tradition“ von Matthias Rude. Des Weiteren findet in mehreren Artikeln eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Tierausbeutungsindustrie in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft statt: „Das Schlachthaus Europas“ von Christian Stache und „Die Schweizer Fleischindustrie“ von Tierrechtsgruppe Zurich. Darin kommen die Autor*innen zur spannenden Erkenntnis, dass trotz steigender Zahlen von vegan lebenden Menschen die Erlöse der produzierten und exportierten Tierprodukte steigen. Und nicht nur dieser Aspekt wird kritisch beleuchtet, sondern auch der aktuelle Vegan-Lifestyle-Trend. So wird im Beitrag „Vegan for Profit“ von John Lütten diese Entwicklung dekonstruiert und aus einer marxistischen und kapitalismuskritischen Sicht bewertet. Einige Rezensionen („Antispeziesismus“, „Tierehtik. Grundlagentexte“ und „Der Dschungel“) und kulturkritische Betrachtungen wie „How does revolution sounds like? Über Musik, Kunst und Befreiung“ von Marco Maurizi bzw. ein Interview mit dem veganen Hip-Hop-Künstler Albino runden die Zeitung ab.

Wer schreibt da?

Bei fast allen Artikeln wird deutlich, dass die Autor*innen aus einer klar marxistischen Position argumentieren, dabei wird auch schon mal gegen „links-libertäre“ (S.06) und andere linke Strömungen polemisiert. Die einseitige Anzeige der – nicht immer emanzipatorischen – Tageszeitung „junge welt“ passt da genauso ins Bild, wie die Anzeige des marxistischen Musikmagazins „Melodie&Rhytmus“. Jedoch nehmen diese Aspekte nur einen verschwindend geringen Teil des Heftes ein, womit die vorliegende Zeitung auch für Leser*innen, die sich dem Veganarchismus oder anderen linken Strömungen zuordnen interessant ist.

Das sagt Sania dazu:

Mit der Herausgabe der Zeitung „Dem Schlachten ein Ende setzen – Marxismus und Tierbefreiung“ versucht sich die Tierrechtsgruppe Zürich an einem Spagat, der eigentlich nur misslingen kann: Auf der einen Seite sollen klassische marxistische Theorieansätze auf das Themen- und Agitationsfeld Tierrechte ausgeweitet werden und damit eine Brücke zwischen der traditionellen (marxistischen) Linken und der modernen Tierbefreiungsbewegung geschlagen werden. Auf der anderen Seite ist es ein Versuch (noch) nicht politisierten Veganer*innen einen theoretischen Unterbau zu geben, der mit Hilfe des historischen Materialismus und der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise die Ausbeutung von menschlichen und nichtmenschlichen Tieren theoretisch zusammenführt und diese Verbindungen sichtbar macht. Dass dieses Unterfangen dennoch gelingt, liegt nicht zuletzt an der fast durchweg hohen Qualität der einzelnen Artikel und der relativ verständlichen Sprache, trotz der eigentlich komplexen Sachverhalte.

Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung um die Entpolitisierung und Kommerzialisierung der veganen Idee ist „Dem Schlachten ein Ende setzen“ ein unabdingbarer Versuch dem entgegen zu wirken und den Blick auf die eigentliche Ursache für die Ausbeutung von Mensch und Tier zu richten: das kapitalistische System.

Musst du lesen. Kost fast nix.