Aufmerksamen Beobachter*innen wird nicht entgangen sein, dass wir seit dem letzten Jahr 10 Cent pro verschicktem Paket an ausgeCO2hlt spenden. Wir haben uns schon vor Jahren dagegen entschieden, Services wie DHL Go Green zu nutzen – denn wir möchten lieber direkt Projekte unterstützen, die wir gut finden. Ihr werdet euch vielleicht fragen, was die Unterstützung einer Gruppe für den Kohleausstieg bringen soll, wenn doch gepflanzte Bäumchen direkt CO2 binden. Aber was, wenn dieses Engagement den Kohleausstieg ein Jahr früher beginnen lässt? Wenn dadurch ein Braunkohle-Tagebau, oder nur ein Teil davon, verhindert wird? Und was noch besser ist: Hier werden nicht Menschen in anderen, meist deutlich ärmeren Gegenden, in die Pflicht genommen, für unseren Dreck einen Ausgleich zu schaffen, sondern es wird vor der eigenen Haustüre gekehrt.
Für die letzten beiden Jahre haben wir bereits 853 € an ausgeCO2hlt gespendet. Und mit euch zusammen wollen wir den Betrag noch ein wenig aufstocken. Zu diesem Zweck gibt es bei uns im Shop wieder eine Reihe Produkte, für die wir im Zeitraum vom 26. Juni bis 2. Juli bei jedem Kauf jeweils einen Betrag zwischen 0,50 € und 15 € an ausgeCO2hlt spenden werden. Übrigens: Für die System Change-Klamotten gehen auch sonst pro verkauftem Teil 2 € an ausgeCO2hlt!
Und nun genug der Vorrede, wir haben natürlich auch ein paar Fragen an ausgeCO2hlt gestellt:
Schön, dass du dir ein wenig Zeit nimmst, unsere Fragen zu beantworten!
Vielleicht magst du kurz erläutern, worum es sich bei ausgeCO2hlt handelt?
Hey zusammen, erstmal DANKE für eure Unterstützung!
ausgeco2hlt ist eine selbstorganisierte Gruppe, die sich für den sofortigen Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit einsetzt. Wir sind Menschen mit verschiedensten Hintergründen und setzen unseren Fokus auf das Rheinische Braunkohlerevier, der größten CO2-Quelle Europas. Wir bringen uns beispielsweise bei den jährlichen Klimacamps ein und sind mit den Menschen vor Ort in Kontakt. Außerdem sind wir in bundesweiten Bündnissen, wie beispielsweise „Ende Gelände“ aktiv und legen Wert auf eine Vernetzung mit Aktiven aus anderen Teilen der Welt.
Uns ist es wichtig, den Klimawandel als ein komplexes Problem zu begreifen, das seine Ursachen im Kapitalismus und vielen anderen Herrschaftsverhältnissen hat. Der Kohleausstieg ist daher einer von vielen Schritten, die es für das gute Leben für alle braucht.
Wie stellt ihr euch eine selbstverwaltete Energiewende vor?
Dezentralität ist ein wichtiges Stichwort für eine selbstverwaltete Energiewende. Um viele Dinge, die wir zum Leben brauchen, können wir uns selbst kümmern. Dazu gehört auch die Stromproduktion. Viele Menschen produzieren mit Solar- und Windkraftanlagen schon jetzt mehr Energie, als sie selbst brauchen. Es ist möglich, die Stromversorgung so umzubauen, dass wir nicht mehr auf große, mit fossiler Energie arbeitende Konzerne angewiesen sind. Selbstverwaltung bedeutet, dass die Menschen selbst über die Dinge entscheiden können, die sie angehen und sich so Machtverhältnisse in der Gesellschaft verschieben. Es braucht also widerstandsfähige/resiliente Gemeinschaften, die gut miteinander vernetzt sind und sich um die technischen und sozialen Aspekte kümmern.
Dieser Aufbau einer alternativen Stromversorgung geht Hand in Hand mit dem Widerstand gegen den Abbau fossiler Brennstoffe.
Was, wenn sich vielleicht viele Menschen gar nicht um ihre Energieversorgung kümmern wollen?
Natürlich muss sich nicht jede Einzelperson direkt um ihre Energieversorgung kümmern und in die Materie eintauchen. Wenn sich Menschen in Gemeinschaften und Netzwerken zusammentun ist eine Aufgabenteilung sinnvoll und schön, so dass sich Menschen mit den Themen beschäftigen können, die sie auch interessieren. Trotzdem sollte jeder Mensch die Verantwortung für den eigenen Energieverbrauch übernehmen und sich darum kümmern, möglichst wenig zu verbrauchen sowie regenerative Energie zu benutzen, die dann evtl. von anderen zur Verfügung gestellt werden.
Mit welchen Mitteln versucht ihr euer Ziel zu erreichen?
Wir arbeiten nach dem Motto „Kohleausstieg ist Handarbeit“, da wir glauben, dass eine gerechte Energiewende und auch Klimagerechtigkeit nur „von unten“ kommen kann. Daher ist der Aufbau einer breiten und organisierten Klimabewegung für uns sehr wichtig. Wir machen also Veranstaltungen, arbeiten in politischen Netzwerken und organisieren widerständige Aktionen. Zur Zeit arbeiten wir daran, neue Klimagruppen bei ihrer Gründung zu unterstützen und veröffentlichen dazu auch diesen Sommer eine Broschüre.
Eine Bewegung lebt durch persönliche Beziehungen, Achtsamkeit und Solidarität miteinander, das versuchen wir zu leben. Dabei ist es uns wichtig, dass unser Aktivismus nachhaltig ist und wir auf unsere eigenen Kapazitäten achten.
Die deutsche Politik gibt gerne vor, dass Deutschland im Klimaschutz Vorreiter sei. Gleichzeitig werden neue Kohlekraftwerke gebaut. Mit welchen Argumenten wird dieser Widerspruch gerechtfertigt?
Eins der häufigsten Argumente, das genannt wird ist die Versorgungssicherheit. Es wird behauptet, dass die Lichter ausgehen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. In solchen Fällen sei Kohle der „Partner der Erneuerbaren“. Die Schwachstellen einer zentral strukturierten Energieversorgung sind die Speicherung bzw. die Transportwege. Kohlekraftwerke sind allerdings nicht dazu in der Lage, kurzfristige Engpässe bei der Energieversorgung auszugleichen, da sie zu lange brauchen um hochgefahren zu werden.
Ein anderes wichtiges Argument sind die Arbeitsplätze, die bei einem Kohleausstieg verloren gehen würden. Das Rheinland und auch die Lausitz sind seit vielen Jahrzehnten von der Kohle geprägt. Daher ist es wichtig, dass der Ausstieg sozial gerecht gestaltet wird. Ein solcher Strukturwandel ist eine große Aufgabe, die aber von Konzernen und Politiker*innen noch immer weggeschoben wird. Es werden heute noch junge Menschen in den Kraftwerke und Tagebauen ausgebildet, obwohl alle wissen, dass der Kohleausstieg nur eine Frage der Zeit ist.
Eure Meinung zu den UN-Klimaverhandlungen?
Das Klima-Abkommen in Paris wurde von Avaaz, Germanwatch und vielen anderen als Mega-Erfolg gefeiert. Wir sehen die positive Bezugnahme auf das 1,5 Grad Ziel als einen Teilerfolg, der uns gleichzeitig das Genick brechen kann. Denn dieses Ziel ist in keiner Weise an verbindliche Maßnahmen geknüpft (auf deren Einhaltung wir im Übrigen nicht vertrauen könnten).
Die Maßnahmen, die innerhalb der Klimaverhandlungen beschlossen werden, richten sich nach der Realpolitik kapitalistischer Systeme, nach Großkonzernen und neokolonialen Herrschaftsverhältnissen und bleiben damit innerhalb der gleichen Logik, die das Problem verursacht hat. Beispiele dafür sind die marktbasierten Mechanismen wie der Emissionszertifikatehandel. Sie ändern nichts an den Ursachen für unseren ausufernden Ressourcenverbrauch, sondern bringen uns nur noch weiter in Gefahr.
Daher werden wir auch im November während der Klimaverhandlungen in Bonn nicht vor dem Konferenzzentrum protestieren, sondern im Rheinischen Revier mit unseren Aktionen zeigen, wie konsequenter Klimaschutz wirklich aussieht.
Wäre ein sofortiger Ausstieg aus der Kohle eurer Meinung nach zweifelsfrei möglich?
Wenn wir das Problem auf der technischen Ebene betrachten, können wir sehen, dass Deutschland Strom in großen Mengen exportiert. Die Gruppe Anti Atom Bonn hat ausgerechnet, dass ein sofortiger Ausstieg aus Kohle und Atom möglich ist. Detaillierte Infos findet ihr unter: http://antiatombonn.de
Aber es ist auch wichtig, zu schauen, wofür der Strom verbraucht wird. Ein großer Teil geht beispielsweise in die Waffenproduktion und ähnliche vollkommen überflüssige und schädliche Dinge.
Wenn wir in einen gesamtgesellschaftlichen Prozess einsteigen und uns fragen, was wir für ein gutes Leben FÜR ALLE brauchen, dann wird das Ergebnis sein, dass wir konsequent bestimmte Produktionsstätten abschalten müssen um Energie und Ressourcen zu sparen und Lebensräume zu erhalten. Dann ist ein sofortiger Kohleausstieg auch möglich. Und die Antwort darauf kann keine rein technische sein … ja es geht auch um technologische Lösungen und um Dämmung von Häusern, aber vor allem geht es auch darum sich selbst und das System in dem wir leben von Grund auf in Frage zu stellen.
Selbstverständlich wissen wir, dass das nicht einfach wird und mit vielen anderen Schritten zur Überwindung der Verhältnisse einhergehen muss – aber es ist angesichts der bereits jetzt auftretenden verheerenden Folgen des Klimawandels sowie lokaler Folgen von Kohleabbau absolut notwendig!
Ende August werden im Rheinland wieder Klimacamps und Aktionstage stattfinden. Was erwartet Menschen, die daran teilnehmen wollen?
Es wird in diesem Jahr zwischen dem 19.-29.8. drei Camps geben. Das Klimacamp, das Connecting Movements Camp, bei dem es darum geht, verschiedene Bewegungen noch mehr miteinander zu vernetzen und das Camp for [future], das gezielt neue Menschen ansprechen will. Bei allen Camps wird es um Bildung, Vernetzung und den Aufbau einer alternativen Gesellschaft gehen.
Außerdem finden vom 24.-29.8. vielfältige Aktionstage statt. Unterschiedlichste Akteur*innen rufen zu Demonstrationen und Aktionen auf. Es wird beispielsweise eine von NGOs und lokalen Bürgerinitiativen organisierte Menschenkette, eine Rote Linie, beim Tagebau Hambach geben. Die Gruppe Animal Climate Action wird mit einer Fahrradtour auf die Verknüpfung zwischen Tierrechtskämpfen und Klimagerechtigkeit aufmerksam machen.
Außerdem rufen verschiedene Bündnisse und Gruppe zu Aktionen des zivilen Ungehorsams auf. Ende Gelände wird mit vielen tausend Menschen Kohleinfrastruktur blockieren. JuNePA (Jugendnetzwerk für politische Aktionen) organisiert eine ungehorsame Aktion für Menschen die noch wenig Aktionserfahrung haben. Und Zucker im Tank ruft Menschen dazu auf, sich in Kleingruppen zu organisieren und eigene Aktionen auf die Beine zu stellen.
Es wird also allerhand los sein und wir freuen uns, wenn Menschen sich auf ihre eigene Weise einbringen und Widerstand gestalten.
Zuvor gab es letztes Wochenende noch eine Aktion am 24. Juni in Amsterdam, zu der ihr auch aufgerufen habt. Was steht hier an?
Unsere Freund*innen aus den Niederlanden haben eine Massenaktion des zivilen Ungehorsams für den 24. Juni im Hafen von Amsterdam geplant. Unter dem Motto „Code Rood“ gab es Aktionen im weltweit größten Gas- und Europas zweitgrößtem Kohlehafen. Daran haben sich über 300 Menschen beteiligt! Zeitgleich fand auch das erste Klimacamp in Tschechien statt, bei dem über 100 Aktivist*innen die Braunkohleinfrastruktur lahmgelegt haben.
Der Klimawandel ist ein weltweites Problem, das nicht an einem Ort allein gelöst werden kann. Daher ist es für uns wichtig, gegen alle fossilen Energieträger aktiv zu werden und unsere Freund*innen in anderen Ländern zu unterstützen.
Um euer Ziel zu erreichen greift ihr zu Mitteln des zivilen Ungehorsams. Daher ist Repression natürlich auch bei euch Thema. Für 2015 gab es kürzlich Freisprüche. Wie ist ansonsten der Stand bei euch?
Gerade sind wir viel mit sogenannten Unterlassungsverpflichtungserklärungen beschäftigt. RWE fordert Menschen auf, sich zu verpflichten das Betriebsgelände nicht mehr zu betreten. Diese Form der Repression gehört zum Zivilrecht, mit dem politische Bewegungen bisher noch wenig Erfahrung haben. Im Gegensatz zum Strafrecht fallen hier besonders hohe Prozesskosten und Anwaltskosten an. Die Kampagne „Unten lassen statt unterlassen“ organisiert Unterstützung für Menschen mit Zivilklagen und freut sich über Spenden.
Auch gegen Menschen aus dem Hambacher Forst gibt es immer wieder Verfahren und einige saßen in den letzten Jahren mehrere Monate in Untersuchungshaft. Das Wiesencamp neben dem Wald ist auch gerade juristisch umkämpft und braucht Unterstützung bei den Prozesskosten.
Und auch wegen Ende Gelände 2015 laufen die Prozesse weiter. Wir freuen uns über die Freisprüche und sind gespannt, wie sich die Situation weiter entwickelt. Es sieht so aus, dass die Umfriedung des Tagebaus Garzweiler nicht ausreichte, damit ein Betreten des Tagebaus juristisch als Hausfriedensbruch gewertet wird. Dennoch gibt es weitere Prozesstermine, auch wegen anderer Vorwürfe. Detaillierte Infos dazu könnt ihr auf der Homepage der Anti Repressionsgruppe Rheinisches Revier (AntiRRR) nachlesen.
Wie könnt ihr unterstützt werden?
Wir freuen uns, wenn Menschen selbst aktiv werden, zum Beispiel im August im Rheinland. Außerdem freuen wir uns, wenn Menschen bei uns mitmachen oder uns mit ihren Talenten unterstützen wollen. Meldet euch gerne bei info@ausgeco2hlt.de Toll ist es auch, wenn Menschen sich selbst organisieren und in ihrer Region gegen den Klimawandel und für das gute Leben aktiv werden. Wir brauchen für unsere Arbeit auch Geld, daher sind auch Spenden hilfreich.
Vielen Dank an ausgeCO2hlt für das Interview!!
Und wenn ihr mögt, könnt ihr mit eurem Einkauf zwischen dem 26. Juni und 2. Juli einen Beitrag zu unserer Spende an das Bündnis leisten. Wir haben eine Auswahl verschiedener Artikel zusammengestellt, für deren Verkauf wir jeweils einen festen Betrag spenden werden.
Und hier nun noch ein paar passende/hoffentlich hilfreiche Empfehlungen von uns:
- Total Liberation – Hier geht es um Aktivismus, der nicht auf Kosten anderer Kämpfe Erfolge feiern will, sondern die Gemeinsamkeiten und Verknüpfungen der verschiedenen Bewegungen betont
- Direkte Aktionen – Ideensammlung mit Tipps und Tricks
- go. stop. act. – Erfahrungsberichte und Geschichten zu Aktionsformen. Zur Nachahmung empfohlen
- Radical Tasche – denn radikal bedeutet erstmal nur, das Problem an der Wurzel anzupacken und nicht nur an den Symptomen rumzudoktern
- Green is the new red – Wie Öko-Aktivismus systematisch zu Terrorismus erklärt wird
- Gürtel aus Fahrradreifen – in Fahrradläden gesammelt und in praktisch und in langlebige und schicke Gürtel verwandelt
- Bücher zu Ökologie – Hier mal ein Überblick über die Literatur, die ihr momentan zum Thema findet
- Wege durch die Wüste – denn du solltest wissen, was du tust, wenn du politisch aktiv wirst
- Learning Good Consent – Wie kommen wir zu einem guten Konsens? Eine kleine Hilfestellung
- Tierbefreiung #90 – mit dem Schwerpunkt „Kampagnen und Aktionsbündnisse“
- Atomkraft, Nein Danke! – Der Button zum Atomausstieg
- Projekt A – Eine Reise zu anarchistischen Projekten in Europa
Alle Fotos wurden uns von ausgeCO2hlt zur Verfügung gestellt.