„… Und warum machst du das?“

Wie wir die absurdesten Dinge als Naturgesetz erscheinen lassen. Vegan mit Roland Barthes.

An ideologische Schlachten auf dem Feld der Ernährungstheorien beginnt Mensch sich zu gewöhnen. Aber auch der Alltag wird erträglicher durch den Rückgriff auf Mythen. Der moderne, aufgeklärte Mensch umgibt sich mit ihnen sehr gerne um sich etwas Unschuld zu pachten.

Als Roland Barthes 1957 die „Mythen des Alltags“ veröffentlichte, definierte er den Mythos als kollektiv unbewusste Annahme. Der Mythos leugnet nicht die Dinge, er entpolitisiert sie. „Er gründet sie in der Natur und ewiger Dauer, gibt ihnen die Klarheit nicht einer Erklärung sondern einer Feststellung.“ Wenn ich etwas feststelle, ohne es zu erklären, ist es nur noch einen kleiner Schritt und es erscheint selbstverständlich und natürlich. Etwas vom Menschen gemachtes wird so zur unhinterfragbaren Naturgegebenheit. Die Komplexität menschlichen Handelns wird aus der Sache entfernt. Damit kann nahezu jede noch so abstruse menschliche Untat naturalisiert werden.

In diesem Licht erscheint die Frage, warum wir etwas nicht verspeisen wenig gerechtfertigt. Zumindest nicht mehr gerechtfertigt als die Frage, warum überhaupt ein Mensch Leichenteile oder Drüsensekrete anderer Tiere zu sich nimmt. Trotzdem ist die Frage „Warum Vegan?“ allgegenwärtig. Ihr geht die Feststellung voraus, eine omnivore Ernährung sei natürlicher oder normaler als der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel.

Anthropozentrismus und Speziesismus sind kein bisschen „natürlicher“ als die bedingungslose Freiheit und Unversehrtheit aller Lebewesen. Der ethische Konflikt, der sich daraus ergibt, dürfte für sehr viele Menschen ein unaushaltbarer Begleiter sein. Deswegen werden Mythen benötigt um ein völlig abstruses System der Ausbeutung zu legitimieren.

Der gleiche Mechanismus funktioniert auch bei der Naturalisierung von Lohnarbeit, Geschlechterrollen oder Nationalstaaten.

entfremdung der lebewesentierebilderoekonomien

Barbara Noske diskutiert die anthropozentrische Entwertung der Natur im westlichen Denken und zeigt auf, wie Trennlinien zwischen Mensch und Tier gezogen werden.

Aktuelle Forschung zum gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnis ist in „Tiere Bilder Ökonomien“ vom Chimaira – Arbeitskreis für Human-Animal Studies zusammengefasst.